Ein Dorf im neuen Russland. Jasnaja Poljana und das Erbe Tolstojs
About the project
Jasnaja Poljana – jenes Dorf und Gut in der russischen Region Tula, wo Lew Tolstoj geboren wurde und den größten Teil seines Lebens verbracht hat – existiert noch heute und ist, hundert Jahre nach dem Tod des Autors, ein Ort, an dem vieles probiert wird. Da soll zum einen (unter Leitung eines Ururenkels des Schriftstellers) das literarische, philosophische und religiöse Erbe Tolstojs in die Gegenwart verlängert werden, zum anderen ist daran gedacht, Kulturtourismus, Kulturwirtschaft systematisch zu betreiben und Jasnaja Poljana mit seinem Museum zum Motor der Regionalentwicklung zu machen. Chemiekombinat und Stahlwerk in unmittelbarer Nähe zwingen dazu, zwischen handfesten Interessen und moralisch-spirituellen Zielen in der Tradition Tolstojs die Spannung auszuhalten, auszubalancieren. Daneben gilt es wie überall den Alltag zu leben, in Schule, Kindergarten, Wohnblock, Datscha, Krankenhaus und Geschäft.
Wie bewegt sich Jasnaja Poljana – oder: wie wird es bewegt – zwischen Geist und Macht? Hat Kultur dort eine Chance, etwas anderes zu sein als ein Standortfaktor, nämlich: unmittelbar Einfluß zu nehmen auf die Selbstreflexion und Selbsterziehung von Menschen, wie es vermutlich im Sinne Tolstojs gewesen wäre?
Deutschlandfunk
Regie: Anna Panknin
Redaktion: Sabine Küchler
Erstausstrahlung: 21.08.2009, 20:10 Uhr
About the research
Die Collage von Raimund Petschner entstand unter Verwendung herumliegender ärztlicher Unterlagen aus den 1960er Jahren, entdeckt in einem aufgelassenen Ambulatorium in Krapivna (40 km von Jasnaja Poljana). Die Räume des Ambulatoriums sollen, wenn alles gut geht, in absehbarer Zukunft restauriert und für kulturelle und soziale Zwecke genutzt werden. Das Museum von Jasnaja ist an dem Projekt beteiligt. Krapivna ist übrigens der Ort, wo Tolstoj als Friedensrichter – als Berater und Schlichter in Angelegenheiten der Landverteilung nach der Aufhebung der Leibeigenschaft 1861 – gewirkt hat.
- Eveline Passet studierte Slavistik und Romanistik in Paris, arbeitet heute als Literaturübersetzerin und Rundfunkautorin in Berlin. Sie hat u.a. Werke von Benjamin Constant, Alfred de Musset, Wassili Rosanow, Alexander Kuprin, Daniel Pennac und...
- Raimund Petschner, geb. 1948 in Bad Vilbel bei Frankfurt/M., studierte Soziologie, Psychologie und Germanistik und arbeitete einige Jahre als Lehrer an Hauptschulen. Seit Anfang der achtziger Jahre hat er zahlreiche Sendungen für den Rundfunk...