Königstreue, Kunstliebhaber und Weintrinker. Jüdisches Leben in Marokko.
About the project
Als der mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnete Algerier Boualem Sansal 2012 zur Internationalen Buchmesse nach Jerusalem eingeladen wurde, diffamierte ihn die Hamas sofort als Verräter; wenig später legten mehrere algerische Lyriker, Filmemacher und der Direktor der Nationalbibliothek Sansal nahe, das Angebot auszuschlagen. Der Schriftsteller ließ sich nicht einschüchtern und suchte in Jerusalem das Gespräch mit israelischen Kollegen und Lesern. Im Nachbarland Marokko ist so ein Vorfall undenkbar. Israelis können jederzeit ohne Visumpflicht einreisen. Jeden Sommer kommen viele Juden aus den USA und Israel nach Marokko, um die Gräber von als Heilige verehrten Rabbinern zu besuchen.
Als Reaktion auf den Umsturz in Tunesien 2011 wurde im Juni desselben Jahres in Marokko per Referendum eine neue Verfassung verabschiedet. Darin wird das jüdische Erbe explizit hervorgehoben, denn Juden leben im Westen des Maghreb seit mehr als 2000 Jahren. Sie waren lange vor den Arabern da.
Gespräche mit Serge Berdugo, dem Reisebotschafter von König Mohamed VI. wie mit dem Mäzen Jacques Toledano und der muslimischen Kuratorin des einzigen jüdischen Museums in der muslimischen Welt, Zhor Rehihil, sowie mit dem Schuldirektor eines jüdisch-muslimischen Gymnasiums in Casablanca und einer Historikerin, die eng mit dem Präsidenten der jüdischen Gemeinden in der Region Marrakesch zusammen arbeitet, vermittelten den Eindruck, dass die kleine Gemeinde von etwa 5000 Juden in Marokko keinen Zweifel daran hat, am richtigen Platz zu leben. 300.000 jüdische Marokkaner haben das Land im 20. Jahrhundert verlassen.
NDR Info
Regie: Sigrid Brinkmann
Redaktion: Dr. Claus Roeck
Länge: 19:00
Erstausstrahlung: 21.02.2013, 20:30 Uhr
sigrid.brinkmann@web.de
About the research
Sigrid Brinkmann reiste im Februar 2013 als Grenzgänger-Stipendiatin nach Marokko. Verabredungen mit den meisten Interviewpartnern in Casablanca, Rabat und Marrakech wurden vor der Abreise getroffen. Seit den 1990er Jahren vertraut mit den schwierigen Verhältnissen in Algerien, verblüffte sie die Offenheit, mit der marokkanische Kulturschaffende sowohl Kritik an der Gesellschaft üben als auch patriotische Bekenntnisse ablegen.
- Sigrid Brinkmann wurde 1958 in Hannover geboren und studierte Romanistik in Montpellier, Berlin und Paris. Prosa- und Essayübersetzungen aus dem Französischen für Rowohlt und Matthes & Seitz. DAAD-Stipendium für Recherchen in Paris. Seit 1987...