Anselm Weidner

BELGRAD, KIEW, MINSK – zur Zukunft der Farbrevolutionen

2006 | Radio
About the project

Ein Gespenst ging um, von Serbien bis an die chinesische Grenze und im Libanon, und tauchte jüngst im „arabischen Frühling“ wieder auf: die „Junge Internationale des Diktatorensturzes“.

Die serbische Jugendbewegung „Otpor“ half mit viel Geld westlicher Regierungen, Milošević zu stürzen. Daraus entstand das Geschäftsmodell CANVAS, Center for Nonviolent Action and Strategies, ein weltweit aktives Unternehmen mit Sitz in Belgrad, das erfolgreich in Georgien, der Ukraine, im Libanon, Kirgisien, den Malediven und nun auch in Ägypten tätig wurde. Sind CANVAS – trainierte Jugendbewegungen gegen Autokraten Teil westlich imperialistischer Geopolitik im Rahmen der externen Demokratieförderung, „democracy promotion“, oder kündigen sie einen neuen Typus sozialer Bewegungen im Internet-Zeitalter an? – Die Sendung entstand nach der sog. Zedernrevolution im Libanon, fünf Jahre vor der „Arabellion“.

WDR/SR 2006 
Regie: Martin Zylka
Länge: 52:00

www.anselm-weidner.de

worldwideradio@gmx.de

Feature: http://anselm-weidner.de/belgrad-kiew-minsk-zur-zukunft-der-farbrevolutionen/

About the research

„Im Mai 2005, nachdem ich mit dem Berliner Figuralchor in Tirana die Matthäuspassion von Bach mitgesungen hatte (übrigens das erste Mal überhaupt, dass dieses Werk in Albanien aufgeführt wurde), bekam ich überraschend eine Einladung zum 'International Tirana Activism Festival'. Dort trafen sich Organisationen aus 16 Ländern, die sich in einer dreitägigen Konferenz im Wesentlichen damit beschäftigten, wie man Diktaturen und autoritäre Regime gewaltlos stürzt (nach dem Vorbild des Sturzes des Milosecic-Regimes im Oktober 2000). Die Rosenrevolution in Georgien 2003, die 'orangene Revolution' 2004 in der Ukraine und die Zedernrevolution 2005 waren die jüngsten erfolgreichen Beispiele. Sie liefen alle nach demselben 'Drehbuch' ab.

Wer ist diese 'Junge Internationale des Diktatorensturzes', welche Interessen stecken dahinter? Mithilfe des Grenzgängerstipendiums war ich 2005 in Serbien, Weißrußland, der Ukraine und den USA unterwegs, um dieser Frage nachzugehen. Das wesentiche Ergebnis: es hat sich ein ganzer Politikzweig, eine Methode und eine ganze Industrie des gewaltlosen Regimesturzes als Teil der oder in Konkurrenz zur westlichen Demokratieförderungspolitik entwickelt, die vorgibt interessenneutral zu sein und sich weitgehend demokratischer Kontrolle entzieht. Eins der medialen Resultate dieser Recherchen, war das dokumentarische Feature 'Belgrad, Kiew, Minsk – die Zukunft der Farbrevolutionen'.

Das Thema hat mich nicht mehr losgelassen, mit der Folge, dass ich 2011, diesmal mit Unterstützung der Filmstiftung NRW, im damals so genannten 'Arabischen Frühling' in Tunesien und Ägypten recherchierte, um herauszufinden, inwieweit die Methode und die Akteure der 'Internationale des Diktatorensturzes' für die 'Arabellion' eine Rolle spielten. Das wesentliche Resumé: Sie waren als auslösende Kraft in Ägypten von Bedeutung, ihre Rolle wurde allerdings in einer Art westlichem medialen Hype geradezu hochgejubelt. Sozusagen als Spätfolge meines Grenzgängerstipendiums von 2005 entstand daraus 2011 das Doku-Feature 'Auf den Spuren der Faust – der Arabische Frühling und der Westen'.“

  • Autorenfoto Anselm Weidner
    Anselm Weidner ist 1943 in Halle an der Saale geboren. Nach dem Studium der Juristerei, Philosophie, Soziologie und Sozialpädagogik in Berlin, Kiel und Frankfurt am Main arbeitet er seit 1987 beim Rundfunk in Stuttgart, seit 1995 in Berlin.